Das Anna-Forcke-Stift in Barsinghausen war einst ein Heim für alte und kranke Diakonieschwestern. Fast 20 Jahre stand die Ruine leer. Nun füllen viele engagierte Bürger und der Verein für Gemeindediakonie das 1908 erbaute Jugendstilhaus mit neuem Leben: Im November werden die ersten Bewohner in das neue stationäre Hospiz einziehen. Wie das Vorhaben trotz Herausforderungen verwirklicht wurde, darüber sprachen wir mit Superintendentin Antje Marklein, der Aufsichtsratsvorsitzenden des Trägervereins.

Interview Marklein

Frau Marklein, mehr als 70 Jahre war das  Anna-Forcke-Stift ein gepflegtes Heim für Diakonieschwestern. Nach dem Verkauf in den 1990er Jahren erlebte es Verwilderung, Verfall, Vandalismus und Brand. Was haben die Menschen in Barsinghausen eigentlich noch mit dem Gebäude verbunden?

Ich weiß, dass viele, die in der Nähe wohnen, den Verfall des Hauses mit Trauer begleitet haben. Denn als es noch in diakonischer Trägerschaft war, hatte das Stift eine sehr positive Ausstrahlung. Diakonissen haben dort Auszeiten
verbracht, waren im Ort präsent. Menschen, die anderen Gutes taten, konnten hier Kraft tanken. Das haben Menschen über Generationen gesehen. Umso schmerzhafter war der Verfall, lange Zeit lag das Gelände brach. Nun ist dieser Dornröschenschlaf zu Ende.

Es waren private Investoren, die den Plan zur Rettung des Anna-Forcke-Stifts fassten. 2019 hat Ihr Verein für Gemeindediakonie das Projekt übernommen. Sie haben als Aufsichtsratsvorsitzende die Sanierung des Stifts aus nächster Nähe miterlebt. Was wollten Sie damit bewegen?

Das Ehepaar Wildhagen hatte zunächst den Umbau initiiert und viel bewegt. Gemeinsam haben wir dann festgestellt, dass unser Verein gute Voraussetzungen für große Darlehen und den Betrieb eines solchen Hauses hat. Wir betreiben bereits ein Altenheim, eine Tagespflege, eine Diakonie-Sozialstation, dazu den Petrus-Hof als sozialpsychiatrisches Zentrum und Wohnanlage. Wir wollten aber ganz bewusst auch ein stationäres Hospiz unter dem Dach des Vereins. Das ist nun endlich möglich.

Viele Unternehmen aus der Region haben ihre Arbeiten außergewöhnlich schnell und unbürokratisch erledigt. Für den künftigen Hospiz-Betrieb konnten Sie zudem schon jetzt mehr als 40 Menschen gewinnen, die sich ehrenamtlich für das Projekt engagieren. Man könnte sagen: Barsinghausen hat ein neues Gemeinschaftsprojekt. Worauf führen Sie diese außergewöhnliche Motivation zurück?

Ich denke schon, dass da offenbar eine ganz besondere Identität vor Ort besteht. Wir haben bewusst breit zur Eröffnung Anfang September eingeladen. Das haben viele Menschen in Anspruch genommen und sich umgeschaut. Aber auch online – weit jenseits der Stadtgrenzen – merken wir, dass Hospiz-Themen immer besonders viele Klicks bekommen. Ausnahmslos alle sind vom Tod betroffen und müssen sich damit auseinandersetzen. Und viele sagen dann: Ich kann und will mich damit befassen, warum nicht auch ehrenamtlich?

Das Anna Forcke-Stift ist wiederbelebte Diakoniegeschichte. Was hat sich erhalten aus der Zeit der Diakonissen?

Wir leben und handeln aus unserem Glauben  heraus. Und wir haben es mit einem Haus zu tun, das von Spiritualität geradezu durchwebt ist. Das sollte sich aus meiner Sicht auch in der Atmosphäre widerspiegeln. Es ist dort ein schön gestalteter, großer Andachtsraum entstanden, so geben wir dem geistlichen Leben einen Ort. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass am Ende jeder Kaffee und jedes belegte Brötchenaus dem Geist der Diakonie heraus verteilt wird. Eine Gemeinschaft, die Menschen am Lebensende gut und würdevoll leben lässt – die wollen wir hier pflegen.

Das neu entstehende Evangelische Hospiz Barsinghausen ist ein christliches Haus. Woran wird das konkret sichtbar und spürbar sein?

Es wird sichtbar sein an der Grundhaltung der dort Wirkenden, die aus dem christlich-diakonischen Verständnis heraus ihre Arbeit tun. Natürlich sind wir offen für Bewohner, die nicht den gleichen Glauben teilen. Aber die Mitarbeitenden, die wir dort anstellen, werden mehrheitlich in der Kirche sein. Unser Auftrag wird es dann sein, ihnen etwas an die Hand zu geben – etwa den Psalm 23. Ich wünsche mir, dass wir so bei den Haupt- und Ehrenamtlichen etwas etablieren können, das dann den Geist des Hauses ausmacht.

Dieses Haus ist ein großer Schatz für Barsinghausen und für alle Menschen, die ihre letzten Wochen hier verbringen werden. Es kann aber nur funktionieren, wenn viele Menschen es dauerhaft mittragen. Ob ich einen Kuchen vorbeibringe, Geld spende oder Gespräche am Sterbebett führe: Es gibt dafür viele Möglichkeiten. Und alle sind uns willkommen.

 

Antje Marklein
Superintendentin im Ev.-luth. Kirchenkreis Ronnenberg,
Aufsichtsratsvorsitzende des Vereines für Gemeindediakonie Barsinghausen
Evangelisches Hospiz Barsinghausen
– Anna-Forcke-Stift –
Bergstraße 27
30890 Barsinghausen
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Interview: Ulrike Landt